Das Ettlinger Seitendruckgerät (ESDS) ist eine Bohrlochsonde, die das Anstehende mit zwei kreiszylindrischen Lastplatten in einer zur Bohrlochachse senkrechten Richtung einachsig beansprucht. Das Seitendruckgerät ist in zwei unterschiedlichen Ausführungen in Bohrlöchern mit 146 mm oder 101 mm Mindestdurchmesser einsetzbar. Das Seitendruckgerät ESDS I/146 ist eine Weiterentwicklung der Stuttgarter Seitendrucksonde, von der jedoch nur die Geometrie der kreiszylindrischen Lastplatten keine Veränderung gefunden hat.
Die ESDS I/146 besteht aus zwei kreiszylindrischen Schalensegmenten (Abb. 1), die in der Projektion eine Breite von b = 126 mm und eine Länge von h = 195 mm, d. h. eine projizierte Lastfläche von jeweils A = 0,02457 m² aufweisen. Die Lastschalen sind gelenkig gelagert und können mittels zweier Druckzylinder bis zu 50 mm hydraulisch auseinandergedrückt werden.
Abb. 1 Ettlinger Seitendruckgerät ESDS I/146: Lastschalen, Zylinder und Wegmessgeber
Die mit über 6 MN/m² erreichbare Bodenpressung der ESDS I/146 ist bei weitem ausreichend, um den Verformungsmodul der zu untersuchenden Böden und geringfesten Gesteine zu testen. Die Lastplattenverschiebung wird in der Mittelachse der Lastschalen durch einen elektrischen Wegaufnehmer als gesamte Verschiebung beider Lastschalen zueinander gemessen. Oberhalb des Sondenkopfes sind in einem 540 mm langen Rohr die Anschlüsse für die Elektronik- und Hydraulikleitungen untergebracht. An dieses Rohr schließt sich nach oben ein 1200 mm langes Sumpfrohr an, wo eine Befestigungsvorrichtung für ein Richtgestänge und eine Öse zum Einhängen eines Stahlseiles angebracht sind (Abb. 2).
Abb. 2 Ettlinger Seitendruckgerät ESDS I/146 mit Sumpfrohr
Das Seitendruckgerät mit Sondendurchmesser von max. 144 mm in eingefahrenem Zustand wird an einer Seilwinde hängend in das Bohrloch mit 146 mm Durchmesser eingefahren und falls erwünscht mittels eines an der Sonde befestigten Orientierungsgestänges nach Tiefe und Arbeitsrichtung positioniert.
Die Länge der ESDS I/146 mit h = 195 mm ist mit Bedacht so klein gehalten, um auch noch die in Böden und Weichgesteinen häufigen geringmächtigen Schichtglieder untersuchen zu können (Smoltczyk und Seeger, 1980). Um jedoch in monotonen Gesteinsserien nicht auf den Vorteil verzichten zu müssen, die aufgrund der Theorie wünschenswerten unendlich hohen Druckplatten einzusetzen, bieten wir das Ettlinger Seitendruckgerät auch mit den Plattenlängen h = 490 mm (ESDS II/146) an (s. Abb. 3). Diese Variation ist dadurch möglich, dass die Last auf die Druckplatten durch Zylindermodule erzeugt wird, welche an die Sonde mit der Höhe h = 195 mm angefügt werden und dass nur die Druckplatten in der gewünschten Länge ausgetauscht werden.
Die projizierte Lastfläche der ESDS II/146 mit der Plattenlänge h = 490 mm beträgt A = 0,06174 m².
Abb. 3 Ettlinger Seitendruckgerät ESDS II/146: Lastschalen, Zylinder und Wegmessgeber
Für Bohrungen mit einem Nenndurchmesser von 101 mm bieten wir ebenfalls ein Seitendruckgerät an, dessen kreiszylindrische Schalensegmente wie alle anderen Ettlinger Seitendruckgeräte einen Öffnungswinkel von 120 ° besitzen. Die Sonde ESDS 101 weist in der Projektion eine Breite von b = 87,5 mm und eine Länge von h = 490 mm, d. h. eine projizierte Lastfläche von jeweils A = 0,04287 m² auf. Die Lastschalen können mittels vier Druckzylindern von 96 mm auf 136 mm hydraulisch auseinandergedrückt werden. Die maximal erreichbare Bodenpressung beträgt mehr als 5 MN/m².
Der Seitendruck wird bei allen Ettlinger Seitendruckgeräten vom Versuchsausführenden vorgegeben und mittels elektrischem Druckaufnehmer kontrolliert. Der Anlegedruck bei Versuchsbeginn beträgt im allgemeinen s = 50 kN/m². Die Belastung wird stufenweise aufgebracht. In der Regel genügt es, jede Laststufe zwei Minuten lang konstant zu halten und danach die Schalenverschiebung abzulesen. Zur Erfassung des zeitlichen Verformungsverhaltens werden zusätzlich Zwischenablesungen durchgeführt.
Als gerätespezifischer Kennwert wird aus dem Versuch auf der Grundlage der Elastizitätstheorie der Bettungsmodul Kss bestimmt, aus dem dann ein Elastizitäts- bzw. Verformungsmodul abgeleitet werden kann. Der Einsatzbereich der Sonde erstreckt sich auf Lockergesteine, wechselnd feste Gesteine und Fels geringer Festigkeit.
Normalerweise wird der Versuch mit drei Be- und Entlastungszyklen durchgeführt, wobei die maximale Bodenpressung der Erst- und Wiederbelastung der Gebirgsauflast bzw. den Erfordernissen des projektierten Bauwerks angepasst ist. Die Höchstlast ist erreicht, wenn die Kapazität der Sonde erschöpft ist, oder sich ein Versagen des Bodens im Verlauf der Arbeitslinie ankündigt.
Der Durchmesser des Versuchsbohrloches muss durchgängig mindestens 146 bzw. 101 mm je nach eingesetzter Sonde betragen. Im Versuchsbereich darf der Bohrlochdurchmesser nicht größer als 156 bzw. 111 mm sein. Wird der obere Teil des Bohrloches mit einer Verrohrung gesichert, so muss der Innendurchmesser der Verrohrung ebenfalls durchgängig mindestens 146 bzw. 101 mm betragen.
Das Bohrloch muss standfest sein. Neigt das Bohrloch zu Nachbrüchen, so muss die Bohrlochwandung z. B. durch Einbringen einer thixotropen Stützflüssigkeit gesichert werden. Die Länge des unverrohrt herzustellenden Versuchsbereiches muss mindestens 1 m betragen. Auf eine möglichst geringe Störung der Bohrlochwandung im Bereich der Versuchsstelle ist zu achten. Nach Durchführung des Versuches wird die Bohrung bis unter die nächste Versuchsstelle vertieft und die Verrohrung entsprechend nachgezogen.
In einem wassergefüllten Bohrloch kann mit der Durchführung des Bohrlochaufweitungsversuches erst begonnen werden, wenn die Sedimentation des Bohrschmands im Bohrloch weitgehend abgeschlossen ist.
Die Durchführung eines Regelversuches dauert incl. Ein- und Ausbau der Sonde je nach Versuchstiefe zwischen zwei und vier Stunden.
Die während des Seitendruckversuches protokollierten Messdaten werden von einer Datenverarbeitungsanlage ausgewertet. Die Versuchsergebnisse werden auf zwei Arten wiedergegeben:
- Grafische Darstellung der Spannungs-Verschiebungslinien (Arbeitslinien);
- Tabellarische Zusammenstellung der Messdaten sowie der hieraus errechneten Kennwerte.
Die Arbeitslinien (Abb. 4) weisen je nach Beschaffenheit der Bohrlochwandung und des Gebirges eine mehr oder weniger ausgeprägte Krümmung bei niedrigen Seitendrücken auf. Im Bereich I ist noch kein vollständiger Kontakt zwischen den Lastplatten und dem Boden gegeben. Im Bereich III kündigt sich das Versagen der Bohrlochwandung im gedrückten Bereich an. Der Bereich II kennzeichnet den linear-elastischen Bereich der Arbeitslinie; nur dieser genügt den Grundlagen der Versuchsauswertung.
Der durch die Belastung im Gebirge hervorgerufene Spannungs-Verformungszustand wurde auf der Grundlage der Elastizitätstheorie von Seeger (1980) theoretisch untersucht und mit Hilfe einer räumlichen Finite-Element-Studie (Buchmaier und Schad, 1982; Reik und Xing, 1993) numerisch berechnet.
Es gelten folgende Beziehungen:
Hierin bedeuten:
d = Anfangsdurchmesser der Versuchsbohrung
f = Gerätespezifischer Faktor gemäß FE-Berechnung
Δd = Bohrlochaufweitung im Lastintervall
Δp = Seitendruck im Lastintervall
Abb. 4 Typische Arbeitslinie eines Seitendruckversuches
Für das Seitendruckgerät ESDS I/146 mit den oben genannten Abmessungen gelten je nach Poissonzahl n des Gebirges folgende gerätespezifische Faktoren f:
für n = 0,25 gilt f = 0,792
für n = 0,30 gilt f = 0,785
für n = 0,40 gilt f = 0,749
Bei unserer Auswertung (siehe Anhang) wird für jeden Lastzyklus der Be- und Entlastungsmodul berechnet. In den Belastungsästen wird zwischen Erst- und Wiederbelastungsmodul unterschieden. Ist in der tabellarischen Zusammenstellung statt eines Zahlenwertes "XXXXXX" ausgedruckt, so errechnete sich ein unendlich großer Verformungsmodul. Dies ist dann der Fall, wenn die Verschiebungsänderung eines Lastintervalls v = 0,000 mm beträgt. Ein Verformungsmodul von EB = 0 ergibt sich dagegen, wenn die Arbeitslinie horizontal verläuft, d. h. bei gleichem Seitendruck der Fortgang der Verschiebung in Abhängigkeit von der Zeit gemessen wurde.
Auch die älteren Versuchsgeräte für Bohrlochaufweitungsversuche wurden mit der linearen Elastizitätstheorie ausgewertet. Kögler vereinfachte den mechanischen Zustand sogar noch weiter zu einem einachsigen Spannungszustand, auf den er das Hooke'sche Gesetz anwandte. Ménard benutzt die elastizitätstheoretische Lösung für den dickwandigen Zylinder, dessen Außenradius gegen unendlich geht, d. h. für einen ebenen Verformungszustand. Darin liegt aber eine gewisse Unlogik, denn
- entweder erstreckt sich der Verformungszustand tatsächlich über eine größere Reichweite, dann ist die Annahme des ebenen Zustands nicht gerechtfertigt;
- oder die Verschiebungen beschränken sich auf eine hinreichend kleine Reichweite, dann kann man nicht die Lösung für den unendlich dicken Zylinder anwenden.
Der Umstand, dass man bei den Seitendruckversuchen deutlich einen Bereich III misst, deutet darauf hin, dass die erstgenannte Vermutung die richtigere ist.
Beim Entwurf der Stuttgarter Seitendrucksonde wurde von Seeger (1980) von vornherein darauf verzichtet, einen pseudo-ebenen Zustand zu erzeugen. Es wurde vielmehr der räumliche Zustand eines in einer zylindrischen Öffnung symmetrisch nach außen wirkenden Kräftepaars für den drainierten, linear-elastischen Zustand des Bodens nachgerechnet. Bei Vernachlässigung der Öffnung konnte dazu die analytische Lösung, d. h. die über eine vertikale Rechteckplatte integrierte Mindlin'sche Lösung herangezogen werden. Bei Berücksichtigung der Öffnung wurde dagegen die Methode der Finiten Elemente bevorzugt, die bei linear-elastischen Problemen sehr zuverlässig ist.
Entsprechend den FE-Berechnungen im linear-elastischen Vollraum (zugfeste Verbindung in der vertikalen Symmetrieebene) bzw. Halbraum (Symmetrieebene ohne Zugfestigkeit) ergab sich je nach Querkontraktionszahl eine erforderliche Last zwischen P = 15,8 kN und 29,4 kN, um eine Verschiebung von 1 cm zu erreichen. Dabei betrug der E-Modul des Kontinuums 5000 kN/m². Unter Ansatz der maßgebenden Sondenabmessungen ergeben sich gerätespezifische Faktoren f wie wir sie oben benannt haben.
Für das Seitendruckgerät II/146 gelten die folgenden gerätespezifischen Faktoren f:
für n = 0,25 gilt f = 0,960
für n = 0,30 gilt f = 0,949
für n = 0,40 gilt f = 0,898
Die schon von Goodman et al. (1968) festgestellte schwache Abhängigkeit der Funktion P(n) von der Poissonzahl wurde von Seeger bestätigt: Entsprechend der zunehmenden Volumenkonstanz nahm P mit n zu, und zwar bei der Vollraumlösung am meisten, nämlich um 14 % beim Übergang von n = 0,30 zu 0,40.
Goodman et al. geben für die Auswertung ihrer Seitendruckversuche folgende Formel an:
Dabei ist
d = Anfangsdurchmesser der Versuchsbohrung
K = Stressfaktor in Abhängigkeit vom Zentriwinkel b der Belastung und von der Poissonzahl n.
Der Stressfaktor K kann aus nachfolgender Tabelle entnommen werden:
β | ν = 0,30 | ν = 0,40 |
60 | 1,152 | 1,080 |
70 | 1,200 | 1,129 |
80 | 1,225 | 1,159 |
90 | 1,232 | 1,170 |
100 | 1,224 | 1,169 |
110 | 1,204 | 1,156 |
120 | 1,155 | 1,088 |
Es ist bekannt, dass die Auswertung nach Goodman et al. (1968) für Moduli über 3000 MPa keine befriedigenden Ergebnisse zeitigt. In solchen Fällen sind die Moduli nach einer von Heuze und Salem (1977) publizierten Funktion zu korrigieren. Überhaupt ist der Einsatz von Seitendruckgeräten im Festgestein problematisch, worauf Becker (1985) hingewiesen hat.
Die komplette Beschreibung zu Ettlinger Seitendruckgerät finden Sie auch hier als pdf.
Ein Auswertebeispiel für Ettlinger Seitendruckgerätversuche finden Sie hier als pdf.