Spannungsmessverfahren im Gebirge lassen sich nach dem heutigen Stand der Tech­nik in folgende vier Gruppen einteilen:

  • Entlastungsmethoden,
  • Kompensationsmethoden,
  • Methoden nach der Theorie des harten Einschlusses,
  • Methoden der Risserzeugung im Gebirge.

Bei der Gruppe der Entlastungsmethoden macht man sich die Tatsache zunutze, dass ein belasteter Körper bei seiner Entlastung Verformungen erfährt. Bei bekanntem E‑Modul und Poissonzahl des Gebirges lassen sich aus den Verformungen die Span­nungen rückrechnen.

Die bekannteste Entlastungsmethode ist die sogenannte Doorstopper-Methode. Auf den geglätteten Boden eines Bohrloches wird mit einer speziellen, an einem Gestänge geführten Setzeinrichtung ein mit einer Dehnungsmessstreifen-Rosette bestückter Trä­gerkörper (Doorstopper) richtungsorientiert aufgeklebt. Nach einer Nullmessung wird die Messfläche, also der Bohrlochboden, überbohrt und die Entlastungsverformungen in der Stirnfläche des so entstandenen, entspannten Bohrkerns durch erneute Messung bestimmt. Diese Methode kann heute in Bohrlöchern bis in Tiefen von etwa 30 m erfolg­reich eingesetzt werden.

In ähnlicher Weise wird bei den Bohrlochmantel-Entlastungsversuchen mit der sog. Tri­axialzelle vorgegangen, wo über Dehnungsmessstreifen oder mit mechanischen Mess­tastern die Verschiebung der Bohrlochwand beim Überbohren gemessen wird. Der An­wendungsbereich dieser Methoden geht heute bis in Bohrlochteufen von etwa 150 m.

Die Entlastungsmethoden eignen sich gut für Bestimmungen des Absolutwertes der Spannungen; für die Beobachtung von Spannungsänderungen im Gebirge sind sie we­niger geeignet.

Im Gegensatz zu den Entlastungsmethoden ist bei den Kompensationsmethoden eine Kenntnis der elastischen Konstanten des an der Messstelle anstehenden Gesteins nicht notwendig.

Dieses Messverfahren besteht darin, dass die während einer künstlichen Entspannung des Gesteins auftretenden Verformungen durch einen Kompensationsdruck, der mit geeigneten Belastungseinrichtungen aufgebracht wird, wieder rückgängig gemacht werden. Die hierzu aufzubringenden Spannungen entsprechen in der Regel den ur­sprünglich vorhandenen Spannungen. Diese Methode wird vornehmlich in unterirdi­schen Hohlräumen angewandt, wobei die Entlastung in der Regel durch einen Säge­schnitt erfolgt.

Für die Messung von Spannungsänderungen - weniger zur Bestimmung der Absolut­werte - eignen sich die Methoden nach der Theorie des harten Einschlusses.

Die Methode benutzt Messgeber, deren E-Modul im Vergleich zum E-Modul des Ge­steins an der Messstelle wesentlich höher ist. Dabei geht man von folgenden grundle­genden theoretischen Zusammenhängen aus:

Bringt man in einen elastisch beanspruchten Gebirgskörper mit dem E-Modul EG einen Messgeber mit dem E-Modul EM>EG kraftschlüssig ein, so wird sich die Spannung im Messgeber von der im umgebenden Gebirgskörper unterscheiden; es treten Span­nungskonzentrationen im Messgeber auf. Ist das Verhältnis der Moduli EM/EG bekannt, so lassen sich die im Geber gemessenen Spannungen korrigieren.

Da der kraftschlüssige Einbau, dicht am Gebirge anliegend, nur schwer zu erreichen ist, können mit diesen Gebern meist nur Spannungsänderungen gemessen werden. Aus­sichten, auch die Primärspannungen selbst zu messen, bestehen jedoch beim Einsatz eines solchen Messgebers im viskosen oder im plastisch beanspruchten Gebirgsbe­reich. Hier kann man damit rechnen, dass der Geber durch Fließen des Gebirges "ein­wächst", d. h., dass sich die im Gebirge herrschenden Spannungen allmählich auch im Messgeber aufbauen. Außerdem kann hier, ebenfalls aufgrund des Gebirgsfließens, ein ausgeprägter hydrostatischer Spannungszustand erwartet werden.

Die Zahl der heute bekannten Messverfahren bzw. der Messgeräte, die auf der Theorie des harten Einschlusses im Gebirge basieren, ist sehr groß. Allerdings unterscheiden sich sehr viele dieser Verfahren nur wenig. Dies ermöglicht deren Einordnung in ver­schiedene charakteristische Gruppen, die sich nach dem Prinzip der Messwertumfor­mung bzw. der Messwertübertragung unterscheiden in:

  • hydraulisches Messprinzip (Druckkissen, Druckdose),
  • elektrisches Messprinzip (Dehnungsmessstreifen, induktive Geber),
  • mechanisches Messprinzip (Schwingsaiten, Messuhren),
  • optisches Messprinzip (spannungsoptisch aktive Materialien).

Bei den hydraulischen Druckmessdosen nach Glötzl wirkt der in dem Druckkissen herrschende Druck auf eine Membrane ein, die dadurch gegen eine Platte gepresst wird und zwei dort angebrachte Bohrungen verschließt. Durch die eine der Bohrungen wirkt ein Gegendruck, der so lange gesteigert wird, bis die Membrane von der Platte abhebt. Da beide Bohrungen in diesem Fall miteinander kommunizieren, äußert sich das Abheben durch Ausströmen des Druckmediums an der zweiten Bohrung. Der not­wendige Gegendruck entspricht dann dem in der Messdose herrschenden Druck. Zur Anzeige sind nur geringe Membranbewegungen notwendig, die Messdose arbeitet demzufolge sehr hart.

Das Stressmeter nach Potts besteht aus zwei gleichgestalteten, länglichen Kernstü­cken aus hochfestem Stahl, die so aufeinanderliegen, dass sich ein konischer Drehkör­per ergibt. In die Auflageflächen sind flache Nuten eingefräst. Dadurch entsteht zwi­schen beiden Hälften ein schmaler Spalt, der mit einer Öl-Wasser-Emulsion gefüllt wird. Dieses Kernstück wird in eine gespaltene, in ihrem Inneren ebenfalls konisch gearbei­tete Muffe gepresst. Dabei werden die beiden Muffensegmente auseinandergespreizt und mit definierter Vorspannung gegen die Bohrlochwandung gedrückt. Auf ein Ende des Kernstücks wird ein Messkopf aufgeschraubt. Dieser wandelt den im Kernspalt herrschenden Druck über eine mit Dehnungsmessstreifen bestückte Membran in ein elektrisches Signal um.

Das konische Mittelstück wird mit einer kleinen, speziell zu diesem Zweck konstruierten Hydraulikpresse in die Muffe gedrückt. Dadurch lässt sich dieser Messgeber mit defi­nierter Vorspannung in das Bohrloch einsetzen, weshalb sich sowohl zunehmende als auch abnehmende Spannungen erfassen lassen.

Wie aus dem Namen hervorgeht, benutzt man bei dem "Vibrating Wire Stressmeter" nach Hawkes die Abhängigkeit der Schwingfrequenz eines Drahtes von seiner Span­nung als Messprinzip. Das Messelement besteht aus einem dickwandigen, gehärteten Stahlrohr, in dem senkrecht zur Rohrachse ein 0,23 mm starker Stahldraht gespannt ist. In unmittelbarer Nähe dieses Drahtes befindet sich eine elektromagnetische Spule, die sowohl zur Erregung der Drahtschwingung (durch Stromimpuls) als auch zur Aufnahme der Schwingfrequenz dient. Der Messkörper ist an seiner Außenwand an einer Stelle abgeflacht. Dort wird, zusammen mit einem Stahlkeil, eine dem Bohrlochradius ange­passte Druckplatte aufgesetzt. Mit einer speziell entwickelten, hydraulischen Setzein­richtung lässt sich das Geberelement in ein 38 mm-Bohrloch einbringen und verkeilen. Spannungsänderungen in der Bohrlochumgebung bewirken eine Verformung des Rohr­körpers und damit die Änderung der Drahtspannung. Den daraus resultierenden Wech­sel der Schwingfrequenz des Drahtes kann man an einer über Kabel mit dem Geber verbundenen Messbox ablesen. Zur Korrektur des Temperaturfehlers ist im Messkörper ein elektrischer Temperaturfühler eingebaut, dessen Signal ebenfalls über das Kabel nach außen übertragen wird. Das Messelement ist durch Eingießen der elektrischen Teile weitgehend wasserunempfindlich. Zur Anpassung an wechselnde Gesteinsfestig­keiten sind Druckplatten mit unterschiedlich großer Fläche verfügbar.

Ein von Roberts u. a. entwickelter Messgeber basiert auf der Spannungsoptik. Er be­steht aus einem Glaszylinder, der über ein Polarisationsfilter und eine λ/4-Platte von einer kleinen Glühbirne durchleuchtet wird. Klebt man diesen in das Messbohrloch ein, so übertragen sich die Spannungsänderungen im Gebirge auf ihn. Wenn man den Glaszylinder dann durch ein zweites Polarisationsfilter betrachtet, erscheint ein Isoch­romatenbild, aus dem sich der Spannungszustand im Glas und damit auch im umge­benden Fels ableiten lässt.

Die Langzeitstabilität ist aufgrund der Eigenschaften des Glases sehr gut. Ein Einsatz in tieferen Bohrlöchern wird durch die Verwendung von optischen Sonden oder Bohrloch­kameras möglich.

Als teilweise kritisch hat sich jedoch der Einbau solcher Messgeber erwiesen, da nur eine gleichmäßige und spannungsfreie Verklebung exakte Isochromatenbilder garan­tiert.

Das einzige bisher zur Anwendung kommende Verfahren zur Messung von absoluten Spannungen in Bohrlochtiefen über 200 m Teufe ist die Methode der Risserzeugung im Gebirge, die unter dem Namen "Hydraulic Fracturing" bekannt geworden ist. Es wurde bereits in Bohrlochtiefen von 4000 m und mehr eingesetzt. Unter der Voraussetzung bestimmter Randbedingungen ermöglicht es die vollständige Bestimmung des Span­nungstensors.

Bei der Anwendung der "Hydraulic Fracturing"-Technik wird nach der klassischen Theo­rie vorausgesetzt, dass das Gebirge an der Messstelle elastisch, isotrop und unzerklüf­tet ist, und dass eine der drei Hauptspannungen nahezu vertikal verläuft. In dieser Richtung wird ein Bohrloch bis zur gewünschten Tiefe vorgetrieben und die Messzone sodann an ihrer oberen und unteren Grenze durch je einen aufblasbaren Gummipacker abgedichtet. In diesen abgeschlossenen Bohrlochbereich wird eine Flüssigkeit (Wasser, Öl) eingepumpt und deren Druck so lange gesteigert, bis ein plötzlicher Flüssigkeits­verlust bzw. Druckabfall eintritt, weil in der Bohrlochwandung ein Zugriss entsteht. Wird nun mit dem Pumpen aufgehört, so kommt die Rissausbreitung nach einer Weile zum Stillstand und es stellt sich ein Druckwert ein, der gerade ausreicht, den Riss offen zu halten. Nach einer völligen Druckentlastung der Teststrecke wird in einem zweiten Ver­such der Öffnungsdruck des in der Bohrlochwandung erzeugten Risses bestimmt. Aus diesen Drücken und aus der Orientierung des entstandenen Risses, der mit einem Ab­druckpacker abgebildet wird, kann die Größe und Richtung der Hauptnormalspannun­gen abgeleitet werden. In jüngerer Zeit konnte nachgewiesen werden, dass das Verfah­ren auch in nicht-elastischem und geklüftetem Gebirge eingesetzt werden kann (Baumgärtner u. Rummel, 1989) und dass die Bohrung nicht parallel zu einer der Hauptspan-nungsrichtungen liegen muss.

 

Die komplette Beschreibung zu Primärspannungsmessungen finden Sie auch hier als pdf.