Die Entwicklung im Untertagebau - aber auch im übrigen Tiefbau - hat dazu geführt, dass die Mittragwirkung des Gebirges möglichst weitgehend ausgenutzt wird, was durch eine Verbundwirkung zwischen Gebirge und eigentlichem Bauwerk erreicht wird.

Das Gebirgsverhalten wird dabei von einer Reihe von vor allem in ihrem komplexen Zusammenwirken nur unzureichend quantifizierbaren Einflussfaktoren bestimmt. Stand­sicherheitsnachweise und das aufgrund von Berechnungen oder Modellversuchen pro­gnostizierte Bauwerksverhalten sind deshalb i. a. nur mit Vorsicht zu genießen.

Die als Reaktion des umgebenden Gebirges auf den Ausbruch eines Hohlraumes und den zeitlich verzögerten Einbau von Stützmitteln auftretenden Verformungen und Span­nungsumlagerungen sind mit den Mitteln herkömmlicher Statik und Festigkeitslehre nur unzureichend zu erfassen, weshalb die rechnerischen Standsicherheitsnachweise durch Messungen zu ergänzen bzw. zu überprüfen sind.

Im modernen Tunnel- und Kavernenbau wird eine möglichst optimale Ausnutzung der Mittrageigenschaften des Gebirges angestrebt. Hierzu sind die Gebirgsdeformationen so zu steuern, dass einerseits eine Schutzhülle mobilisiert, andererseits aber Entfesti­gung des Gebirges hintangehalten wird. Je besser dies gelingt, desto höher liegen Si­cherheit und Wirtschaftlichkeit. Dieses Ziel kann am ehesten erreicht werden, wenn die Messungen des Baugrund- und Bauwerkverhaltens integraler Bestandteil der Bauweise sind (siehe hierzu: L. Müller und E. Fecker, Grundgedanken und Grundsätze der Neuen Österreichischen Tunnelbauweise). Im einzelnen erfüllen die Messungen von Verformungs- und Spannungs- bzw. Weg- und Kraftgrößen folgende Aufgaben:

  • sie geben Aufschluss über das tatsächliche Verhalten des Gebirges bzw. der aus Gebirge und Verbau bestehenden Verbundkonstruktion in Abhängigkeit von allen jeweiligen Einflussfaktoren aus Gebirge, Bau- und Betriebsweise etc.,
  • sie ermöglichen eine Beurteilung der Standsicherheit und eine Überprüfung der geotechnischen Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen,
  • ferner die Festlegung der Sicherungsmittel sowie den Zeitpunkt des Einbrin­gens von Verbau und Ausbau und
  • die Beurteilung der Dimensionierung der Innenschale bei zweischaliger Kon­struktion.

Neben diesen Aufgaben, die das zu errichtende Stollen-, Tunnel- oder Kavernenbau­werk direkt betreffen, sind bei flachliegenden Untertagebauwerken in bebautem Ge­lände bestehende Gebäude und Anlagen messtechnisch zu überwachen.

Durch die Messungen in sog. Hauptmessquerschnitten soll für die unterschiedlichen Gebirgsverhältnisse bzw. Bauverfahren und Bauabläufe Aufschluss über das Verhalten des Gebirges und des Verbaus gewonnen werden zur Beurteilung von

  • Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der eingesetzten Sicherungsmittel und des Vortriebsverfahrens
  • Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen
  • Standsicherheit
  • Gefährdungen anderer Gebäude und Anlagen.

Das Beispiel eines Hauptmessquerschnittes für einen zweischaligen Verkehrstunnel, welcher nach der NÖT zu erstellen war, gibt die nachfolgende Abbildung. Dabei sind folgende Messungen vorgesehen:

 

K -    Konvergenzmessungen
N -   Höhennivellements im Tunnel und an der Geländeoberfläche
E -    Extensometermessungen
I -    Inklinometermessungen
G -   Gebirgsdruckmessungen
B -    Betondruck- oder Betonverformungsmessungen
A -    Ankerkraft- oder Druckmessungen

 

Abb. 1     Hauptmessquerschnitt eines Verkehrstunnels (Messungen während der Bauzeit; nicht dargestellt sind Konvergenzmessungen und Nivellements im Tunnel)

 

Die in den Regelmessquerschnitten eines Tunnelbetriebes durchzuführenden Mes­sungen sollen es ermöglichen, Bauablauf und Sicherungsaufwand den jeweiligen Ver­hältnissen anzupassen und die Standsicherheit zu beurteilen.

Messungen in Regelmessquerschnitten sollen einfach und rasch durchzuführen sein und müssen aussagefähig im Hinblick auf die Standsicherheit des aufgefahrenen Hohl­raumes sein. Die Messergebnisse müssen den zeitlichen Ablauf der Spannungsumla­gerungsvorgänge erkennen lassen und aufzeigen, ob und wann eine Stabilisierung des ausgebrochenen und gesicherten Hohlraumes erreicht ist.

Die für die Regelmessquerschnitte vorgesehenen Messungen sollten auch in den Hauptmessquerschnitten ausgeführt werden, da nur im Zusammenhang mit den dort erhobenen umfassenderen Daten eine realistische, vergleichende Interpretation der Messergebnisse aus Regelmessquerschnitten ermöglicht wird.

Als geeignet zur Beurteilung des Beanspruchungszustandes des Verbaus - und im Ver­gleich mit den Messergebnissen aus Hauptmessquerschnitten - des umgebenden Ge­birges haben sich Konvergenzmessungen und Nivellements erwiesen.

 

Abb. 2      Regelmessquerschnitt für einen Tunnel mit Kalottenvortrieb

 

Für Ausschreibungen von Geotechnischen Messungen empfehlen wir folgendes:

  1. Bohrungen für Extensometer und Inklinometer sind nach Länge und Durchmesser auszuschreiben.
  2. Die Lieferung der einzelnen Geräte ist nach Stück und gegebenenfalls unter An­gabe eines bestimmten Gerätetyps auszuschreiben.
  3. Bei Mehrfach-Extensometern ist nicht nur die Gesamtlänge, sondern auch die Länge der einzelnen Extensometer anzugeben.
  4. Der Einbau der Geräte ist nach Stück auszuschreiben, dabei notwendiges Injekti­onsgut ist nach Aufwand zu vergüten. Entsprechende Bedarfspositionen sind vor­zusehen.
  5. Stillstandzeiten für die Behinderung durch den Einbau der Geräte sollten nach Aufwand vergütet werden. Entsprechende Bedarfspositionen sind vorzusehen.
  6. Stillstandzeiten für die Durchführung der Messungen sowie Zeiten für das Vorhal­ten von Hebebühnen einschließlich dem dazu notwendigen Personal sollten nach Aufwand vergütet werden. Entsprechende Bedarfspositionen sind vorzusehen.

Die Aussagefähigkeit der Messungen hängt wesentlich vom sorgfältigen Einbau der teilweise kostspieligen Messgeräte ab. Dieser sollte den Fachfirmen überlassen blei­ben. Der Einbau ist vom Auftraggeber genau zu überwachen, der Einbau ist durch Fo­tos und Skizzen zu dokumentieren, insbesondere die Mehrausbrüche, die Dicke des Verbaus und die geologische Situation sind zeichnerisch festzuhalten.

Die Durchführung und Auswertung der Messungen soll vom geotechnischen Berater des Auftraggebers bzw. von dessen Vertreter wahrgenommen werden, da dieser un­mittelbar am Baugeschehen beteiligt ist und somit die Behinderungen klein halten kann.

Die Interpretation der Ergebnisse soll gemeinsam vom Auftraggeber, Gutachter des Auftraggebers und Auftragnehmer erarbeitet werden. Nur durch eine rasche Auswer­tung und Eintragung der Ergebnisse in Diagramme können Rückschlüsse auf das Bau­geschehen und die Sicherheit gezogen werden, die der Wirtschaftlichkeit der Baumaß­nahme zugute kommen.

Zur Durchführung der einzelnen Messarten ist folgendes zu sagen:

Nivellements und Konvergenzmessungen sind rasch und relativ billig auszuführen. Es ist zu empfehlen, die Genauigkeitsansprüche an diese beiden Messarten nicht zu hoch zu stellen, sondern vielmehr eine größere Zahl von Messquerschnitten einzurichten. Mit ihnen kann ständig überprüft werden, ob die gewählten Verbaumittel ausreichend sind und die Vortriebsgeschwindigkeit richtig gewählt ist. Oft führt eine Erhöhung der Vor­triebsgeschwindigkeit zu einer Verringerung der Verschiebungen.

Im oberflächennahen Tunnelbau sind mehrfach Divergenzen gemessen worden. Dies besagt, dass man von der Vorstellung einer Gewölbewirkung um einen oberflächenna­hen Tunnel abrücken muss. In größerer Tiefe überwiegen die Konvergenzen. Ferner wird durch Konvergenzmessungen - wenn richtig gebaut wurde - deutlich, dass unmit­telbar nach dem Sohlschluss die Verschiebungen im Ausbau abgeschlossen sind.

Ein Vergleich mit Messungen an Extensometern, die vor dem Auffahren des Tunnels von außen gesetzt werden, zeigt, dass die mit Nivellement und Konvergenz gemesse­nen Verschiebungen im Tunnel immer kleiner sind, als die tatsächlich auftretenden Ver­schiebungen. Meist sind bis zum Setzen der Festpunkte schon 50 ‑ 80 % der Verschie­bungen abgeklungen. Häufig gemessene Endverschiebungen der Firste liegen bei 50 mm, gleichzeitig betragen die gemessenen Konvergenzen zwischen 10 und 50 % der Firstsenkungen.

Wenn innerhalb weniger Tage nach dem Ausbruch die Firstsetzungen einen Betrag von ca. 1/300 der Breite der Kalottensohle überschreiten, sind normalerweise zusätzliche Sicherungsmaßnahmen wie z. B. Nachankerung erforderlich, um die Setzungen zum Ausklingen zu bringen.

Inklinometermessungen im Zusammenhang mit Tunnelbauwerken, wie sie in Abb. 1 planlich dargestellt sind, halten wir immer nur dort für geeignet, wo große Verschiebun­gen - mindestens 20 mm - in horizontaler Richtung zu erwarten sind. Bei geringeren Verschiebungen überdecken die Messfehler häufig das tatsächliche Bild.

Ausbaubeanspruchungen werden durch Spannungsmessungen nachgewiesen. Ein häufig beobachteter Mittelwert der Betonspannungen ergibt sich bei geringer Über­deckung zu 25, bei größerer Überdeckung zu 50 bis 100 bar. Die Gebirgsdrücke betra­gen in der Regel 1/10 bis 1/20 der Betondrücke. Dementsprechend sind die Messberei­che der Gebirgs- und Betonspannungsgeber auszulegen.

Die Regel ist, dass diese gemessenen Beanspruchungen meist geringer sind, als die aufgrund der statischen Annahmen gerechneten. Hieraus kann gefolgert werden, dass im allgemeinen im System Gebirge/Ausbau ausreichend Sicherheitsreserven vorhan­den sind.

Es zeigt sich gerade bei den Spannungsmessungen, dass einige günstige Faktoren, wie Arbeitsweise, Vortriebsgeschwindigkeit u. a., rechnerisch nicht erfassbar sind. Eine Gegenüberstellung mit dem zeitlichen Verlauf der Konvergenzen zeigt, dass die Span­nungsumlagerungen noch lange nach Durchfahren des Messquerschnittes nicht abge­schlossen sind, während die Verschiebungen mit dem Sohlschluss enden bzw. enden sollten.

 

Die komplette Beschreibung zu Geotechnische Messungen im Untertagebau finden Sie auch hier als pdf.