Jede Böschung - sei sie auch noch so flach - stellt unter bestimmten Voraussetzungen eine Gefährdung für Menschen oder Bauwerke dar, weil sie Anlass zu einer mehr oder weniger schnell abgehenden Rutschung geben kann. Es ist daher Aufgabe des Ingenieurgeologen und Geotechnikers, sich Gedanken über den Grad der Standsicherheit eines Hanges oder einer Böschung zu machen, um Schäden von uns abzuwenden.
Häufig ist es sehr einfach, aufgrund der Anschauung und der Kenntnis des anstehenden Gebirges die Sicherheit eines Hanges festzustellen, häufig deuten jedoch schon gewisse Anzeichen darauf hin, dass sich eine Böschung in - wenn auch langsamer - Bewegung befindet, und häufig genug kommt es vor, dass der Schaden schon eingetreten ist und eine Rutschung verheerende Schäden anrichten konnte, bevor sich kompetente Fachleute mit der Sicherheit befasst haben.
Um die Standsicherheit einer Böschung zu beurteilen, werden üblicherweise zwei Wege beschritten. Zum einen wird nach einer sorgfältigen Erkundung des Untergrundes eine rechnerische Standsicherheitsanalyse durchgeführt, welche den momentanen Grad der Standsicherheit widerspiegelt. Zum anderen wird eine messtechnische Überwachungseinrichtung installiert, welche
- den Zustand,
- den Mechanismus der Bewegung und
- die zeitliche Veränderung standsicherheitsbedingender Faktoren
erkennen lässt und die Grundlage von effektiven Sicherungsmaßnahmen bildet.
Wird an einer Böschung rechnerisch oder durch Beobachtungen festgestellt, dass die Sicherheit um oder kleiner 1 ist, so wird man bei kleinem Rutschungsvolumen Sicherungen vornehmen, welche die Sicherheit auf ein Maß erhöhen, wie sie in unseren Regelwerken vorgeschrieben ist.
Häufig ist aber das Volumen der bewegten Masse so groß, dass Sicherungsmaßnahmen nicht möglich sind. In solchen Fällen wird man den Zustand der Böschung kontinuierlich beobachten und bei drohender Gefahr für Menschen und Sachen entsprechende Vorsorgemaßnahmen treffen.
Bei der Überwachung des Zustandes einer Böschung steht vor allem der zeitliche Ablauf der Rutschbewegung im Vordergrund. Aus der Information über die Bewegungsgeschwindigkeit lässt sich abschätzen, welche Gefährdung von der Böschung ausgeht und ob Sicherungsmaßnahmen erforderlich sind bzw. wenn ja welche.
Die International Union der Geologischen Wissenschaften (IUGS) hat 1995 Rutschungsvorgänge aufgrund ihrer Geschwindigkeit in Klassen eingeteilt (s. Tabelle 1), die es erlauben, über den Grad einer Gefährdung Aussagen zu machen und daraus entsprechende Vorsorgemaßnahmen einzuleiten.
Geschwindigkeits- |
Beschreibung der |
Geschwindigkeits- |
Wert |
VII |
Extrem schnell |
||
----------- |
---------------- |
5 m/s |
5 × 10³ |
VI |
Sehr schnell |
100¹ |
|
----------- |
---------------- |
3 m/min |
50 |
V |
Schnell |
100 |
|
----------- |
---------------- |
1,8 m/Stunde |
0,5 |
IV |
Mäßig schnell |
100 |
|
----------- |
---------------- |
13 m/Monat |
5 × 10‾³ |
III |
Langsam |
100 |
|
----------- |
---------------- |
1,6 m/Jahr |
50 × 10‾6 |
II |
Sehr langsam |
100 |
|
----------- |
---------------- |
16 mm/Jahr |
0,5 × 10‾6 |
I |
Extrem |
1 Multiplikationsfaktor zwischen niederem und höherem Geschwindigkeitsgrenzwert
Tab. 1 Geschwindigkeitsklassen von Rutschungen (nach IUGS, Working Group on Landslides, 1995).
Der Mechanismus einer Hangbewegung ist häufig nicht allein durch eine geotechnische Erkundung erkennbar, vielmehr muss er durch geotechnische Messungen festgestellt werden. Ohne das Wissen, wie die Bewegung ablaufen wird, kann aber eine Standsicherheitsberechnung nicht vorgenommen werden. Es gibt drei unterschiedliche Mechanismen (s. Abb.1):
- Rotationsbewegungen,
- translatorische Bewegungen und
- Kippbewegungen
Abb. 1 Unterschiedliche Bewegungsmechanismen beim Ablauf von Rutschbewegungen an Böschungen
1 Rotation, 2 Translation, 3 Kippung
Die messtechnische Beobachtung einer Böschung lässt sich um so besser planen, je genauer man die standsicherheitsbedingenden Faktoren kennt, welche möglicherweise für die Rutschbewegung ursächlich sind. Die wesentlichsten dieser Faktoren sind:
- Änderungen des Böschungswinkels: Diese können natürlich oder künstlich verursacht sein (z. B. durch Fußanschnitte als Folge von Wassererosion oder durch Abgrabungen). Der Anstieg des Böschungsgradienten erzeugt eine Spannungsänderung im Gebirge und die angestiegenen Scherspannungen führen zu einer Störung der Gleichgewichtsbedingungen. Theoretisch könnte die Spannungsänderung gemessen werden. Aus praktischen Erwägungen gilt eine solche Messung aber als Ausnahme.
- Änderung der Böschungshöhe: Als Folge vertikaler Erosion oder von Aushubarbeiten entsteht ein Abfall der Horizontalspannungen, was zur Auflockerung des Gebirges und Bildung hangparalleler Klüfte führt, welche das Eindringen von Oberflächenwasser in die Böschung erleichtern. Die Auflockerung kann ausgezeichnet mit Verschiebungsmessgeräten erfasst werden.
- Erschütterungen und Vibrationen: Durch Erdbeben, Sprengungen und Vibrationen von Maschinen kann das Gleichgewicht einer Böschung infolge kurzzeitiger Änderungen der Gebirgsspannungen gestört werden. In Löss und Sand wird durch die Erschütterungen die intergranulare Bindung verändert und ein Abfall der Kohäsion hervorgerufen. Zur Messung eignen sich Schwinggeschwindigkeitsaufnehmer, die in der Böschung angebracht werden.
- Änderungen des Wassergehaltes: Niederschläge und Schmelzwasser dringen in Klüfte ein und erzeugen einen hydrostatischen Druck. In Böden steigt der Porenwasserdruck an und damit fällt der Scherwiderstand. Niederschlagsmessungen haben erkennen lassen, dass sich eine Zunahme der Hangbewegungen mit außergewöhnlichen Niederschlägen korrelieren lässt. An der Gleitfläche führt die Zunahme des Wassergehaltes infolge von elektroosmotischen Vorgängen zu einem unterschiedlichen elektrischen Potential an den beiden Gleitflächenufern und damit zu einer erhöhten Rutschgefahr. In Tongesteine dringt das Niederschlagswasser besonders leicht nach langen Trockenperioden ein, weil das Wasser leicht in Schrumpfungsrisse einsickern kann. Als Messmittel dienen Grundwasserpegel und Piezometer.
- Einfluss des Grundwassers: Fließendes Grundwasser erzeugt einen Strö-mungsdruck, welcher die Standsicherheit des Hanges erniedrigt. Plötzliche Änderungen des Grundwasserspiegels führen zu Porenwasserdrücken, was zur Bodenverflüssigung sandiger Böden führen kann. Außerdem kann der Grundwasserstrom lösliche Kornbindemittel auswaschen, woraus eine Reduzierung der mechanischen Eigenschaften des Gebirges resultiert. In Feinsanden und Silten bewirkt der Grundwasserstrom ein Auswaschen des Feinkorns, was ebenfalls zur Reduzierung der Gebirgsfestigkeit führt. Gespanntes Grundwasser bewirkt beachtliche Drücke auf die überlagernden Schichten und führt damit ebenfalls zu einer Hangdestabilisierung.
- Frosteffekte: Eisbildung in Klüften bewirkt deren Öffnung und Vergrößerung. Damit sinkt gleichzeitig die Kohäsion des Gebirges. In Tonen und tonig-sandigen Böden führt die Bildung von Eislinsen nach deren Abschmelzen zu einem erhöhten Wassergehalt. Durch das Gefrieren der Oberfläche wird die Drainierung des Hanges behindert, so dass der Grundwasserspiegel ansteigt und die Standsicherheit der Böschung beeinträchtigt werden kann.
- Verwitterung: Sowohl mechanische als auch chemische Verwitterung kann die Kohäsion des Anstehenden erniedrigen. Bei vielen Rutschungen hat die chemische Verwitterung von Tongesteinen durch Hydratation und Ionenaustausch zur Auslösung des Rutschvorganges geführt.
- Einfluss der Vegetation: Die Wurzeln von Bäumen können einerseits zur Stabilisierung von Hängen durch die Absorption eines Teiles des Grundwassers beitragen. Andererseits haben die Wurzeln eine enorme Sprengwirkung und führen zu einer Aufweitung von Klüften.
Die unter den einzelnen Punkten aufgeführten geotechnischen Messungen zielen darauf ab, möglichst viele der genannten destabilisierenden Ursachen zu erfassen und zu quantifizieren.
Die komplette Beschreibung zu Geotechnische Messungen an Hängen und Böschungen finden Sie auch hier als pdf.