Für viele Felsbauaufgaben kommt den Reibungseigenschaften entlang von Trennflä­chen erhebliche Bedeutung zu. Zur Ermittlung der Spitzen- und Restreibung hat sich der direkte Scherversuch durchgesetzt, weil sich bei dieser Versuchsanordnung unmit­telbar eine Beziehung zwischen Normal- und Schubkräften sowie zwischen den ent­sprechenden Normal- und Tangentialverschiebungen ergibt. Direktscherversuche las­sen in der Regel auch große Scherwege zu, was ebenfalls ein wichtiger Vorteil dieser Versuchsart ist.

Analog den Fragestellungen der Baupraxis wird dieser Versuch entweder mit konstanter Normalkraft unter Beobachtung der Dilatanz (Normalverschiebung) oder mit Verhinde­rung derselben unter Beobachtung der Normalkraftentwicklung durchgeführt.

Reibungsvorgänge unter konstanter Normalkraft treten bei übertägigen Felsbauproble­men auf, z. B. beim Gleiten eines monolithischen Felsblocks oder Felskeils. Vielfach wird jedoch die bei unebenen Flächen zur Initiierung des Gleitvorgangs erforderliche Dilatation durch das umgebende Gebirge behindert, wodurch zusätzliche Normalkräfte geweckt werden.

Eine Vielzahl von Versuchen hat gezeigt, dass für ebene Trennflächen das Coulomb­sche Gesetz zur Ermittlung des Reibungswiderstandes ts in Abhängigkeit von der Nor­malspannung sn Anwendung finden kann. Sind jedoch Unebenheiten, wie sie bei den meisten Gesteinstrennflächen vorkommen, vorhanden, so treten Aufgleitvorgänge und bei höheren Normalspannungen auch Abschervorgänge auf, welche die Reibungsei­genschaften wesentlich beeinflussen. In solchen Fällen müssen bilineare oder expo­nentielle Reibungsgesetze in Betracht gezogen werden.

Vielfach wird das mechanische Verhalten von Trennflächen auch durch das Vorhan­densein eines Kluftzwischenmittels kompliziert. Bei geringer Dicke (t) der Kluftfüllung im Verhältnis zur Amplitude der Rauhigkeit (T) wird die Scherfestigkeit noch von den Trennflächeneigenschaften bestimmt. Versuche von Lama (1978) ergaben jedoch, dass für tongefüllte Klüfte die Scherfestigkeit bereits bei einem t/T-Verhältnis zwischen 0.07 - 0.25 auf 50 % des Wertes für Trennflächen ohne Füllmaterial absank.

Zum Aufbau des Versuchs wird aus dem anstehenden Gestein ein etwa 300 mm hoher Block herauspräpariert und mit einem quadratischen Stahlrahmen (Abmessungen 1000x1000x300 mm) ummantelt. Die Fuge zwischen Stahlrahmen und Probekörper wird mit Zementmörtel ausgefüllt, sodass eine satte Verbindung zwischen Rahmen und Probekörper garantiert ist. Die Oberfläche des Probekörpers wird mit einer Zement­schicht ausgeglichen und eine Druckverteilplatte aufgelegt. An der dem Scherkraftzylin­der zugewandten Seite wird ein stahlbewehrtes Widerlager, ebenfalls aus Zement, ge­gossen. Die Frontseite des Widerlagers fällt 75 ° ein. Nach dem Aushärten des Ze­mentes werden die Stahlwiderlager für die Scherkraftzylinder positioniert (s. Abb. 1).

Abb. 1 In situ Scherversuch an einem Probekörper von 500x500x200 mm,
alternativ 1000x1000x300 mm.

1 Versuchsblock         7 Kraftmessdose                      13 Lastverteilplatte
2 Scherfuge                 8 Kugelgelenk                          14 Wälzwagen
3 Stahlblechmantel   9 Druckpresse 1 MN               15 Kraftmessdose
4 Mörtelausgleich    10 Widerlager                            16 Druckpresse 0,2 MN,
5 Widerlager              11 Styropor alternativ 1 MN
6 Lastverteilplatte   12 Entwässerungsgraben

 

Die Normalkraft wird entweder gegen eine Totlast oder ein künstliches bzw. natürliches Widerlager aufgebracht (s. Abb. 2).

Der Scherkraftzylinder wird mit 15 ° zur Scherebene geneigt eingebaut und zwar so, dass die Verlängerung der Zylinderachse die erwartete Scherebene in der Probenkör­perquerachse trifft. Die Scherkraft wird ebenfalls über eine Druckverteilplatte auf den Scherkörper aufgebracht.

Bei allen Versuchsphasen werden die vertikalen und horizontalen Verschiebungen des Probekörpers mit acht Wegsensoren ständig registriert. Die Normalkraft und die Scher­kraft werden über den Pressendruck oder Kraftmessdosen ermittelt. Eine Messdaten­erfassung speichert die Messwerte und zeigt die Arbeitslinie des Versuches "online" auf dem Bildschirm an.

Die Versuche werden normalerweise in Mehrstufentechnik gefahren. Nach Konsolidie­rung der Probe wird der Versuch in vier Stufen bei konstanter Normalkraft abgeschert. Bei der ersten Stufe wird nach Erreichen der Spitzenreibung die Scherkraft zurückge­nommen und in der zweiten Stufe bei gleicher Normalkraft wieder erhöht, bis der Rest­reibungswert erreicht wird. Bei der dritten und vierten Stufe wird die Normalkraft jeweils gesteigert und nach kurzer Konsolidierung der Versuchsblock soweit geschert, bis der Restreibungswert erreicht wird.

Um die Normalkraft immer konstant zu halten, wird bei jeder Scherkrafterhöhung die aus der schräg angreifenden Scherkraft resultierende Normalkraftkomponente am Nor­malkraftzylinder berücksichtigt.

Die Auswertung der Versuchsergebnisse folgt der Empfehlung Nr. 4 des Arbeitskrei­ses 3.3  -  Versuchstechnik Fels - der Deutschen Gesellschaft für Geotech­nik e. V. (Henke und Kaiser, 1980), wonach die Scherfestigkeitsparameter j und c aus dem Scherspannungs - Normalspannungs - Diagramm abgelesen werden. Dort wird ferner empfohlen, neben der Berücksichtigung der Dilatation, die Ergebnisse von mindestens drei Scherversuchen in ein entsprechendes Scherspannungs - Normalspan­nungs - Diagramm einzutragen und die Verbindungslinie als Schergerade für die Bruchbedingung

zu ziehen. Wenn die Ergebnispunkte um eine Gerade streuen, soll eine Gerade nach der Methode der kleinsten Abstandsquadrate eingerechnet werden.


Abb. 2      Direkter Scherversuch auf der Sohle eines Schachtes (Triest, Trockendock)


Abb. 3      In situ Scherversuch. Versuchsvariante mit Stabanker

1 Versuchsblock                7 Kraftmessdose           13 Lastverteilplatte
2 Scherfuge                        8 Kugelgelenk               14 Wälzwagen
3 Stahlblechmantel          9 Druckpresse 1 MN    15 Druckpresse 0,5 MN
4 Mörtelausgleich           10 Widerlager                 16 Kraftmessdose
5 Widerlager                     11 Styropor                     17 Ankerstange
6 Lastverteilplatte           12 Entwässerungsgraben

 

Die ausführliche Beschreibung zu In situ Scherversuche finden sie hier als pdf.